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Geschichte hautnah mit Niklas Frank

Presse

"Frau vom Checkpoint Charlie"
op-online, 18.11.2016



Geschichte hautnah








„Die Frau vom Checkpoint Charlie“  zu Besuch in Langen

„Menschen, die in einer Diktatur die Stirn bieten, sind Botschafter für Demokratie und Freiheit“. Dieser Satz ist Motto des Projektes, welches die ehemalige DDR-Gefangene, Jutta Fleck (geborene Gallus), im Auftrag der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung leitet. Fleck war am Mittwoch in Begleitung ihrer Tochter Beate Gallus und am Freitag mit zwei ehemaligen Insassinnen des       DDR-Frauengefängnisses Hoheneck zu Gast in der Dreieichschule.

Mittwoch um 18.30 Uhr war es so weit: Die Veranstaltung begann mit einem Vorspiel der vierten Sinfonie Mozarts, der große Musiksaal der Dreieichschule gut gefüllt. Jutta Fleck stellte ihr Projekt „Checkpoint Q“ vor, welches einen Beitrag zur DDR-Aufarbeitung leisten soll und mittlerweile über 40.000 Menschen erreicht hat. Dabei geht es um die Wichtigkeit von Freiheit und den Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur.

Podium am 16.11.2016

Die gebürtige Dresdnerin (damals noch Jutta Gallus) entschied sich, mit ihren zwei Töchtern aus der sozialistischen DDR in die BRD zu fliehen. Unter dem Vorwand, Urlaub in Rumänien zu machen, wollte sie sich bundesdeutsche Pässe beschaffen, um dann zu ihren Verwandten in den Westen zu gelangen. Doch ihr Plan scheiterte, da die Stasi von ihren Plänen erfahren hatte. Unter dem bekannten Satz „Wir bitten sie mitzukommen zur Klärung eines Sachverhalts“ werden Fleck und ihre Töchter zum Flughafen gebracht, dort getrennt und schließlich nach Berlin geflogen. Jutta Fleck konnte sich nicht von ihren Kindern verabschieden. „In diesem Moment flossen natürlich Tränen, aber wir riefen uns gegenseitig zu, dass wir es schaffen würden !“ schilderte die heutige Wiesbadenerin. Nach teilweise stundenlangen Verhören, Entblößungen und Schikanen wurde sie schließlich zunächst nach Dresden in Untersuchungshaft gebracht, bevor sie zu einer dreijährigen Haftstrafe in Hoheneck verurteilt wurde. Die Zeit dort war ebenso von Schikane und Überwachung geprägt. So gut wie keine Briefe bekam sie von ihren Kindern, da diese von der Staatssicherheit beschlagnahmt wurden. Die Bedingungen in Hoheneck waren schrecklich, sie teilte sich ihre Zelle mit dreißig weiteren Insassinnen. „Einmal in der Woche wurde geduscht. Alle wurden in einen großen Raum eingeschlossen, es war ein Gefühl wie im Konzentrationslager“ erklärte Jutta Fleck. Schließlich wird sie von der Bundesrepublik freigekauft und in die BRD gebracht, allerdings ohne ihre Kinder. Freunde rieten ihr, an die Öffentlichkeit zu gehen, nach jahrelangem Protestieren am Berliner Kontrollpunkt Checkpoint Charlie kann sie nach sechs Jahren ihre Töchter endlich wieder in die Arme schließen. „ Dieser Tag ist für uns heute noch unser persönlicher Tag der Wiedervereinigung.“ betonte Jutta Fleck.

Mahnwache am Checkpoint Charlie

Tochter Beate Gallus schildert ihre Perspektive und die ihrer Schwester in der Zeit, in der sie ihre Mutter nicht sahen. Beide Töchter wurden, statt wie erwartet zu Verwandten, in ein Heim für schwererziehbare Kinder gebracht. „ Dort war kein bisschen Liebe oder Zuneigung zu spüren, so wie es eigentlich sein sollte. Man bekam nur Kommandos, auf die man hören musste.“ schilderte Beate Gallus. Beide Kinder versuchten immer wieder, unter anderem auch mit der Hilfe ihres Onkels, zu fliehen. Doch alle Versuche scheiterten. Schließlich wurde beschlossen, dass sie bei ihrem Vater leben sollen. In dieser Zeit wurden sie von Lehrern, ihrem Direktor usw. gedrängt, den Kontakt zur Mutter abzubrechen. Doch sie gaben nicht auf und wurden letztendlich in die BRD gebracht. Beate Gallus erklärt, „ In diesem Moment dachte ich, dass das Leben beginnt. Aus einem Schwarz-Weiß-Film wurde ein Farbfilm.“.

Am Freitagmorgen ging es dann mit Frau Fleck und zwei Zeitzeuginnen weiter, die ebenfalls wie Jutta Fleck, im Gefängnis Hoheneck inhaftiert waren. Die heutige Darmstädterin Monika Weiser wollte über Bulgarien in die Bundesrepublik fliehen, doch sie wurde verraten und wurde schließlich für drei Jahre in Hoheneck inhaftiert. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt gerade ein Kind geboren und konnte dieses drei Jahre lang nicht sehen. In Hoheneck war sie ständiger Überwachung ausgesetzt und saß sogar mit Kindesmörderinnen in einer Zelle. Nach Absetzung ihrer Haftstrafe wurde sie wieder in die DDR entlassen. Dort war sie der Überwachung des MfS ( Ministerium für Staatssicherheit) gnadenlos ausgesetzt, bis sie endlich in die BRD ausreisen durfte.

Zeitzeuginnen mit Foto ohne Kopf

Rosemarie Skibka wurde im zweiten Weltkrieg geboren und wuchs in der DDR auf. Sie konnte in ihrer Jugend noch von Ost nach West pendeln, da die Mauer noch nicht stand. Sie beschließt später, in den Westen zu fliehen und wird nur wegen dieses Gedankens verhaftet. Sie wird nach Hoheneck gebracht, wo sie in Auseinandersetzungen mit kriminellen Gefangenen gerät. Rosemarie Skibka trinkt während ihres ganzen Aufenthaltes nur Leitungswasser, da die sonstigen Getränke Hautreizungen und Ausschläge nach sich trugen. Auch das Essen beschrieb Skipka als kaum genießbar. Schließlich wurde auch sie freigekauft und in die BRD gebracht und schaffte es auch, ihre Tochter zu sich nach Wiesbaden zu holen.

Als Fazit der Veranstaltung kann man festhalten, dass man nicht alles ertragen und einfach hinnehmen, sondern sich wachsam verhalten und für Freiheit und Demokratie kämpfen sollte.


Tim und Sven überreichen Blumen

Die Schüler der Dreieichschule sind den vier Zeitzeuginnen sehr dankbar, dass sie sich Zeit genommen haben, den Schülern ihre Geschichten nahezubringen und am Ende der Veranstaltung Fragen zu beantworten. (Text:Tim Leuschner, LK Geschichte Wm)

WebCo,20.11.2016